Meeting Points
Die "Meeting Points Map" soll ein zugängliches Zürich zeigen, vor allem für geflüchtete Menschen und Migrant:innen. Die analoge Karte, die eine Übersicht verschiedener Lieblingsorte der Stadt bietet, ist in die Kategorien Natur & Sport, Kultur & Spass, Info & Hilfe sowie weiterführende Links mit kostenlosen Angeboten unterteilt. Sie verbindet Orte, an denen sich Menschen treffen und austauschen können. Zusätzlich zur analogen Karte besteht die Möglichkeit, auf eine Google Maps Online-Karte zuzugreifen. Die Karte kann jederzeit erweitert und für weitere Projekte genutzt werden. Sie lebt davon, dass Menschen ihre Lieblingsplätze teilen und so das Netzwerk der Verbindungsorte weiter ausbauen.
xx Joana, Fiona Vitto
Wir haben uns viele Gedanken über die Nachhaltigkeit unseres Projektes gemacht. Wie kann ein solches Projekt innerhalb von fünf Wochen im Rahmen einer Institution stattfinden und dabei einem so wichtigen, sensiblen, vielschichtigen, emotionalen und komplexen Thema gerecht werden? Wie können wir als privilegierte Studierende der ZHdK ein Projekt zum Thema Migration gestalten, obwohl wir persönlich nie konkret davon betroffen waren? Und wie kann ein solches Projekt über die Institution hinauswirken?
Ein Versuch, dieses Anliegen umzusetzen, ist die Karte - eine Sammlung von zugänglichen Orten. Sie besteht aus Orten, die vielleicht viel Vorwissen brauchen oder die einem nur bekannt sind, wenn Menschen bereits länger Zeit in Zürich verbracht haben. Und die Zeit vorhanden war, mal erkunden zu gehen. Die Kapazität da war, mal einfach zu verweilen. Die Privilegien da waren, sich was Gutes zu tun, sich gehen lassen, sich was zu gönnen, eine Pause, einen Spaziergang, ein Museum, einen Kaffee. Dinge, die sich gewisse Menschen nur selten leisten können. Luxus, um solche Orte überhaupt zu finden oder irgendwie davon Bescheid zu wissen.
Solche „Meeting Points“ sind grundlegend, damit sich Menschen in einer Gesellschaft entfalten und zurechtfinden, in der sie vom System isoliert werden. In der sie kein Recht auf Selbstbestimmung haben. Isolation findet auf verschiedenen Ebenen statt - vor allem durch finanzielle und soziale Ausgrenzung. Viele kulturelle und soziale Angebote kosten Geld, und Zürich ist eine der teuersten Städte der Welt. Deshalb ist es uns wichtig, dass die Orte gratis sind oder kein Konsumzwang herrscht. Die in einem immer teuer werdenden Zürich, einer unglaublich teuren Schweiz, zu finden, ist gar nicht so einfach. Inspiriert waren wir von «Zürich unbezahlbar.»
Die Idee mit der Online-Map ist, dass die Sprache individuell im Browser angepasst werden kann und dass sie individuell ergänzt werden kann. So kann ein „Insiderwissen“ über einen geografischen Raum gesammelt und festgehalten werden. Ein Wissen, das sich grenzenlos erweitern kann. Ein Wissen, das sich vielleicht auch über die eigene Bubble, über die eigene Szene hinaus teilen lässt. So dass dein „Gatekeep-Ort“ zugänglich wird. Dass ein hipper Platz, ein alternatives Lokal, eine coole Aktivität nicht nur den etablierten Kulturgeniesser:innen vorbehalten bleibt. Die Printversion ist zum Downloaden verfügbar und die Idee ist, dass Menschen sie selbst ausdrucken und auch verteilen oder auflegen können.
Und wie bestimmen wir nun diese Orte für die Printversion?
Wie können diese Orte den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden? Eine schwierige Frage, die in diesem Projekt nicht eindeutig beantwortet werden konnte. Denn so individuell die Menschen sind, so individuell sind auch ihre Bedürfnisse. Wir haben versucht herauszufinden, welche Orte in Zürich schwer zugänglich sind, welche Bedürfnisse nicht erfüllt werden und welche Lieblingsorte und Aktivitäten es bereits gibt.
Wir suchten den Kontakt zu verschiedenen unabhängigen Vereinen, die wertvolle Arbeit für geflüchtete Menschen leisten. Diese Organisationen haben viel Erfahrung und investieren unglaublich viel Zeit und Energie. Hier merken wir, dass es Menschen und Vereine gibt, die sich seit Jahren mit der Schweizer Migrationspolitik auseinandersetzen und aktiv gegen ein System ankämpfen, dass viele Menschen im Stich lässt. Sie zeigen wie ein miteinander leben, sich kennen lernen, voneinander lernen und sich für die individuellen Geschichten interessieren, für alle Menschen - ob Schweizer:in oder nicht - eine Bereicherung ist.
Im Austausch mit der Autonomen Schule suchten wir Begegnungen und Gespräche. Mit Hilfe eines Fragebogens, den wir einer Klasse der Autonomen Schule übergaben und gemeinsam diskutierten, erfuhren wir viel über ihre Lieblingsorte in Zürich. In verschiedenen Gruppen setzten wir uns zusammen und diskutierten den Fragebogen. Auf die Frage „Welche Orte besuchst du in der Stadt?“ kamen Antworten wie „der See“ oder „der Hauptbahnhof Zürich“. Es zeigte sich, dass Natur als Kraft- und Bewegungsort eine zentrale Rolle spielt. Ebenso wichtig ist die Zeit mit nahestehenden Menschen wie Familie, Freund:innen und Geliebten.
Wir haben viel darüber gelernt, wie wir zukünftige Treffen besser organisieren können. Wir wissen jetzt, bei welchen Vereinen wir Werbung machen müssen. Persönliche Einladungen und eine gute Vorplanung helfen, einen Nachmittag zu gestalten, an dem sich verschiedene Altersgruppen, Geschlechter und Ethnien wohl fühlen.
So wurde aus einem ursprünglich geplanten Nachmittag, an dem wir zu Fuss Orte auf der Landkarte erkunden wollten, spontan ein Fussballabend im Sportzentrum Josef mit Menschen, die im Bundesasylzentrum untergebracht sind. Danach gingen wir mit zwei weiteren Personen noch auf einen Drink ins Mehrspur. Dort haben wir über vieles gesprochen - über Rapper aus verschiedenen Ländern, über unsere Lieblingslieder und auch über Bedürfnisse. Eine Person sagte „Lass uns in einen Club gehen, ich will tanzen“.
Was uns vom Fussballabend besonders in Erinnerung geblieben ist, sind die persönlichen Interaktionen. Wir spürten das grosse Bedürfnis nach Beständigkeit und Regelmässigkeit. Wenn Menschen ein Leben führen, das von unzähligen Unsicherheiten, Veränderungen, dramatischen und traumatischen Ereignissen sowie ständiger Abhängigkeit von äusseren Einflüssen und staatlichen Entscheidungen geprägt ist, gibt eine verlässliche Konstante Halt. Die Frage bleibt: Wann kommen wir wieder, und wann werden wir es wieder tun? Für uns ist klar; diese Begegnungen sollten auch ausserhalb dieses Projekt stattfinden und die Karte kann einen Anlass dafür bieten.
Wir haben schnell gespürt, dass das Bedürfnis nach Austausch gross ist. Das Bedürfnis, die Isolation zu überwinden. Einfach mal in einen Club gehen und neue Menschen kennen lernen.
Download and print your map on A3 format
Link to the online map
Download Dokumentation
Die Karte kann jederzeit ergänzt oder für andere Projekte genutzt werden. Das dies möglich ist haben uns entschieden unseren Projekt ablauf und unsere Erfahrungen zu teilen. Für Fragen so wie Anmerkungen oder einen Austausch stehen wir allen die interesse haben gerne zur verfügung.
Joana Hirt // joana.hirt@zhdk.ch
Fiona Inostroza Nuñez // fiona.inostrozanunez@zhdk.ch
Vittoria Rondelli // vittoria.rondelli@zhdk.ch